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Zum Ende der Seite springen Diagnose: Verwirrt
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Mononoke
unregistriert
Raetsel Diagnose: Verwirrt Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden Zum Anfang der Seite springen

Nicht von mir geschrieben sondern von Daniela Fläming.

Aber ich als Altenpflegerin finde,das sollte jeder gelesen haben,es ist erschreckend,traurig und öffnet einem die Augen ..


Diagnose: Verwirrt

„Gu-ten -Morrgen!“ dynamisch und schallend erreicht mich eine kräftige Stimme.
Sie reißt mich, aus weiter Ferne kommend, aus dumpfem Schlaf, aus einem Tiefschlaf,
der seit wenigen Stunden erst gnädig mich umfangen hält. Die halbe
Nacht habe ich wach gelegen, wer kann denn um halb acht Uhr abends schon
gleich einschlafen und dann durchschlafen bis in die Früh?! Um halb acht Uhr abends,
das überleg sich mal einer, da soll ich schlafen! ! ! Wenn draußen noch
die Vögel singen, und es noch nicht einmal dunkel ist!
Anfangs habe ich versucht, wieder aufzustehen, noch ein bisschen am Fenster zu
sitzen, rauszugucken, zuzusehen, wie es Nacht wird am Himmel und das Leben
auf den Straßen beginnt, das junge Leben, zu dem ich nicht mehr dazugehöre,
von dem ich ausgeschlossen bin, das mich nicht mehr erreicht, hier in meinem
Bett mit den Gittern davor, abends um halb acht.
Ein bisschen hin- und hergehen wollte ich, damit wenigstens die Beine müde
werden, die alten Knochen Bettschwere kriegen und dankbar für die frühe Ruhe
werden. Aber mein Arzt hat mich überzeugt, dass diese Unruhe zu gefährlich ist:
ich könnte stürzen so unbeaufsichtigt, mich verkühlen so im Nachthemd, und
überhaupt, wer sollte auf mich aufpassen nachts, wenn nur eine Schwester da ist
für diese beiden Stationen. Besser wäre es zu schlafen, dann sei ich auch munter
am nächsten Tag! Ach so, ich könne nicht schlafen, na das ist ja das Leichteste,
ein kleines Schlafmittel gibt er der Nachtschwester, die merkt dann schon, ob ich
eins brauche und die gibt mir dann immer eins!
Ja, und dann lieg´ ich da, „nachts" ab halb acht. Gitter rechts, Gitter links, Klingel
„gut sichtbar". Gut sichtbar, aber nur bei Licht und mit Brille, und wer liegt
schon mit Brille im Bett? Und wenn ich dann mal „muss"? Und ich „muss" immer,
jede Nacht zweimal. Die Klingel ist auch „gut erreichbar“, aber allmählich wird es
immer dunkler im Zimmer, nun ist es wirklich Nacht, und ohne Brille, wie in Gottes
Namen soll ich die Klingel erreichen?! Ich taste überall umher, drehe und
wende mich, so gut ich kann, suche unter der Decke, unter dem Kissen, nun eilt
es aber, befühle den Nachtschrank, eine dumpfes Geräusch, ein hohles Klirren,
na egal, es ist sowieso zu spät, bald kann ich das Wasser nicht mehr halten, am
besten, ich ziehe die ganzen Hosen schon mal runter, dann geht es schneller,
wenn die Nachtschwester kommt. Wenn sie dann endlich kommt. Gerade bin ich
eingenickt, der erste sanfte Schlummer. Schrill blendet mich das Neonlicht,
schreckt mich auf mit brutaler Helligkeit, sehe überhaupt nichts, höre nur eine
überlaute Stimme, die meiner Schwerhörigkeit Rechnung trägt und mir ins Ohr
ruft:„Aber was denn, Frau Herder, wieder so unruhig! Gott, Sie haben ja hier gewirtschaftet,
das Bett zerwühlt, die Wasserflasche runter geschmissen, die Windeln
zerpflügt, und alles ist auch noch nass, na klasse! Steh'n S’e ma' auf und setzen
S’e sich ma' hier auf den Stuhl, dann kann ich besser das Bett neu beziehen.
Und, Frau Herder: warum klingeln S’e denn nich’; wenn S’e ma' müssen?! Warum
tun S’e das denn nich'?
Gerade will ich den Mund öffnen und der munteren Nachtschwester das mit der
Klingel erklären, da rattert sie mit Elan das Gitter runter, setzt mich mit Schwung
auf die Bettkante und hievt mich mit einem Griff entschlossen vom Bett auf den
daneben stehenden Nachtstuhl. Ich bin völlig durcheinander nach diesem Energieaufwand,
restlos verdattert ob dieses nächtlichen Aktionismus. Mir ist ganz
schwindelig von der plötzlichen Bewegung, verliere jeden Boden unter den Füßen.
Ich schließe langsam die Augen, lasse alles geschehen, bete, dass mich der
Schwindel nicht zusätzlich umwirft, möchte nicht mehr leben, so, wie ich hier sitze,
in nassem Nachthemd, ohne Zähne, ohne Brille, ohne Hörgerät, ungekämmt
und fast entblößt, ausgeliefert dieser entwürdigenden Situation, hilflos gegenüber
dieser tüchtigen Person, dass macht alles noch schlimmer, obwohl sie das
Gegenteil behauptet. Sie kommt jetzt alle zwei Stunden, sagt sie, damit „so was“
nicht noch mal passiert. Und richtig, sie macht ihre gut gemeinte Ankündigung
wahr, kaum bin ich gerade eingenickt, zieht sie mir die Decken weg, reißt mich
auf den Nachtstuhl, und sagt „Na also! " Und „schön weiterschlafen".
Beim nächsten Mal sieht sie, das ich gar nicht schlafe: „Was, schon halb zwei,
und sie schlafen immer noch nicht, Sie Ärmste, ich bringe Ihnen jetzt die Nachtmedizin“,
tut's und Gott sei Dank, die Ruhe kommt, endlich vergessen, endlich
Frieden, endlich mit mir allein. Bis wieder jäh das gleißende Neonlicht mir unbarmherzig
in die Augen blendet, mich aus den tiefen Tiefen des schweren
Schlafmittelschlafs herausreißt und mich restlos erschöpft und völlig umnebelt
dem neuen Tag überlässt. Wieder ein Tag, dem ich mich stellen muss, ein Tag
den ich nicht will, tot will ich sein, was soll ich noch hier, sitze rum und habe
nichts als meine Erinnerungen.
Die Schwestern geben sich Mühe und sprechen laut: „Erkennen Sie mich nicht
mehr, na so was..." Wie könnt ich denn, gerade aus dem Tiefschlaf erweckt, völlig
blinzelnd und ohne Brille, und alle seh’n gleich aus in ihren unförmigen weißen
Kitteln, die Stimmen verzerrt durch das überlaute Sprechen, was sie auch nicht
dämpfen, wenn ich mein Hörgerät trage. Auf dem Flur klingt laut die Stimme des
Lautsprechers, nebenan rauscht wohl die Toilettenspülung, und aus der Küche
klappert das Frühstücksgeschirr. Ein Wunder, das mein Hörgerät nicht streikt und
das mitmacht, aber nein! Die Batterie ist leer, und das schon seit Tagen, keiner
merkt ´s außer mir. Ich lasse es einfach so, dann habe ich ein bisschen mehr
Ruhe und kann mich besser ausklinken, immer dann, wenn ich es will, aber das
ist ein Trugschluss, es geht alles so schnell, ich kann gar nicht folgen, ob ich will
oder nicht, es geht alles so schnell. „Gut geschlafen?" - aber bevor ich antworten
kann: „Na; Sie schlafen ja jetzt noch, gehen Sie sich schon mal zur Dusche, das
macht munter!"
Ich versteh nur Dusche und weiß, dass das jetzt dran ist, stehe auf und will losgehen,
als mich jemand resolut an den Schultern packt, um 180 Grad umdreht
und in beherrschtem Singsang sagt: „Diese Richtung, dort, wo die Tür offen
steht!" Alle Türen stehen offen, die Zimmertür, die Badezimmertür, die Kleiderschranktür
und die Kommodentür der Bettnachbarin. Wie soll ich da die Türen
unterscheiden, zumal, wo ich doch gar nicht duschen will, nie habe ich früher
geduscht, immer nur gebadet, und das auch nur einmal pro Woche. Jetzt entscheiden die Schwestern darüber, dass ich täglich dusche, darüber, was ich anziehe
und was hübsch aussieht und mir steht und darüber, was wann zu tun ist
und auch wo. Zum Beispiel soll ich jetzt, nach dem Duschen und Anziehen in den
Speiseraum gehen zum Frühstück. Wie gern tue ich das, Frühstück war schon
immer meine Lieblingsmahlzeit! Richtig Hunger habe ich jetzt, schließlich war die
letzte Mahlzeit vor vierzehn Stunden, so lange habe ich nichts gegessen, mein
Magen knurrt und Kaffeedurst habe ich auch.
Zum Speisesaal war ´s ein Stück zu laufen, das weiß ich wohl. Der Flur ist ziemlich
lang und reichlich düster. Lauter Türen rechts und links und alle blau. Ich
öffne einfach mal die erste, alles dunkel, die zweite, da steht einer halb nackt
und schreit mich an. Die dritte Tür das wird sicher richtig sein, aber nein „Frau
Herder, Sie schon wieder, jeden Morgen dasselbe! Rechts ist der Speisesaal, reehechts!“
Gut ich geh rechts, immer weiter rechts, Gott ist das eine langer Weg. Jetzt ruh’
ich mich erst einmal aus, auf diesem Stuhl hier. Der lädt ja gerade dazu ein, dieses
nette Sitzarrangement hier, fehlt nur noch der Blick auf die Weizenfelder,
dann wär ´s wie zu Hause in Ostpreußen, wenn Mutter Kuchen gebacken hatte.
So riecht ´s jetzt hier auch, genau so, und dann kam Elfriede und....
„Nein, Frau Herder, ich bin nicht ihre Mutter und auch nicht Elfriede, ich bin
Schwester Renate. Nun kommen Sie mal mit, ich bringe Sie mal zur Toilette, sie
müssen bestimmt mal, jetzt nach (!) dem Frühstück!" Die sanfte Schwester Renate
fasst mich an der Hand, genauso wie eine Mutter ihr Kind...
„Nein, Frau Herder, ich bin doch nicht Ihr Kind, ich bin Schwester Renate!"
Ich höre „Schwester" und denke an Elfriede, die Arme, starb so jung an der spanischen
Grippe, eine richtige Epidemie war das damals....
„Nein, Frau Herder, ich bin nicht Elfriede, und Fieber habe ich auch nicht, ich bin
Schwester Renate!"... höre ich wieder, aber diese hier, die mich an der Hand
hält, hat genauso lange blonde Haare wie Elfriede, komm lass mich mal fühlen,
wie weich die sind ... Und plötzlich bin ich umringt von weißen Kitteln, höre „...
an den Haaren gezerrt!" und jemand stöhnt: „Warum ist die denn schon wieder
so unruhig und aggressiv?"
Und merke, die meinen ja mich!
Ich will das Missverständnis aufklären, öffne den Mund, alle reden durcheinander,
keiner hört mir zu, wahrscheinlich bin ich zu leise, also schreie ich, am besten
ganz laut und ganz schrill, vielleicht hilft das.
„Also jetzt reicht ´s, höre ich eine empörte Stimme, „bring sie auf ihr Zimmer
und gib ihr von der Bedarfsmedizin, aber reichlich, das wird ja immer schlimmer
mit der!"
So sitze ich also hier, allein, in „meinem“ Zimmer. Ich habe mich gut eingerichtet
in meinem Zimmer, in dem mir nichts gehört und das gar nicht wirklich „meins“
ist. Aber meine Gedanken sind mein, das Einzige, was wirklich mein ist. Mein
Gedankenzimmer! Da hinein lasse ich mich fallen, dort kann ich sein, wer ich bin,
dort lebe ich, allein, in meiner Welt, in meiner Phantasie, in meiner Erinnerung.
Was bleibt mir übrig.



27.05.2009 12:48
Petra_NRW
unregistriert
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oh Gott
ich habe mir das nun alles durchgelesen
und weiß das ich so nicht enden möchte, das ist ja grauenhaft
hab beim Lesen eine richtige Gänsehaut bekommen
das ist echt der Hammer... sg12



27.05.2009 14:25
Mononoke
unregistriert
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als ich das in der Ausbildung gelesen habe gings mir genauso...total Geänsehaut und frustriert..

Aber seitdem achte ich verstärkt drauf es besser zu machen,damit sowas nicht
unter meiner Fuchtel passiert !



27.05.2009 14:34
alte_lady
unregistriert
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Also ich will sicher auch nicht so enden.



27.05.2009 17:39
Lilli_FÜ
unregistriert
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Das ist ja die reinste Horrorgeschichte.Aber Gott sei Dank ist dies sicher eine Ausnahme.Schlimm,aber leider passieren solche Dinge.



28.05.2009 09:30
Simone
unregistriert
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Tja, ich befürchte, daß das leider kein Einzelfall ist und bete, daß mir das
mal erspart bleibt!!!!!

Liebe Grüße



28.05.2009 22:35
Sommerkind
unregistriert
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Dieser Beitrag ist zwar schon was her, aber als ich ihn grade gelesen habe kamen mir echt die Tränen. Ich hoffe wenn ich mal alt und schrunzelig bin das ich nicht so behandelt werde. Wenn man sowas liest dann könnte man irgendwie ANGST vor dem ALT WERDEN bekommen..



18.12.2010 11:35
Lilli_FÜ
unregistriert
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Na so schlimm wie es in der Horrorgeschichte beschrieben wird ist es Gott sei dank nicht(bis auf wenige Ausnahmen) Heute sind die Altenheime so kontrolliert dass das sicher nur noch selten vorkommt.Ins Bett gefesselt oder Gitter gibt es nicht mehr.Man sollte doch die Leutchen nicht so in Panik versetzen.Meine Ma lebt seid 10 Jahren im Altenheim da ich arbeitsbedingt sie nicht aufnehmen konnte und sie fühlt sich sehr wohl dort,da sie auch aufs beste versorgt wird.Ich habe auf alle Fälle keine Angst davor eines Tages dort zu landen.



18.12.2010 12:00
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